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Nebenwirkung, die nicht im Beipackzettel steht
Es ist so einfach: Deckel auf, Abfall rein, Spülung drücken, weg ist der Müll. Gebrauchte Windeln, Damenbinden Essensreste und andere unappetitliche Dinge gelangen tagtäglich über die Toilette in die Kanalisation. Dieser augenfällige Müll ist ärgerlich, kostet Geld und Zeit, stellt Kläranlagen aber nicht vor unlösbare Aufgaben. Das größere Problem ist unsichtbar – Arzneimittelrückstände im Abwasser.
Rund 100.000 Arzneimittel mit mehr als 3000 verschiedenen Wirkstoffen sind in Deutschland zugelassen. Wir alle profitieren von ständigen Verbesserungen der medizinischen Versorgung. Die gefährliche Nebenwirkung immer wirksamerer Medikamente aber sind Arzneimittelrückstände im Abwasser. Auch modernste Kläranlagen können diese Rückstände nicht vollständig beseitigen. Sie gelangen zurück in den Wasserkreislauf und damit letztlich in unser Trinkwasser.
Vom Rezeptblock direkt ins Abwasser
Oft ist der sorglose Umgang mit Arzneimitteln schuld an der Misere. Nicht verwendete und abgelaufene Tabletten, Tropfen und Tinkturen landen in der Toilette oder im Waschbecken, anstatt sie über Apotheken und Sammelstellen zu entsorgen. Nach einer Umfrage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beseitigt jeder siebte Bundesbürger alte Tabletten hin und wieder in der Toilette. Flüssige Medikamente kippt nach der Erhebung sogar jeder Zweite schon mal in den Ausguss oder in die Toilette. Mehrere Hundert Tonnen Arzneimittel gelangen so jährlich allein durch private Haushalte in die Kanalisation.
Auch wenn das Problem von Medikamentenrückständen im Abwasser mehr und mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung rückt, Arzneimittel bleiben ein Problem für Kläranlagen. Denn viele Arzneistoffe gelangen trotz gestiegenem Umweltbewusstsein nach wie vor massenhaft ins Abwasser. Nur allein deshalb, weil wir Medikamente nehmen. Viele Substanzen durchlaufen den Körper, werden aber nicht vollständig aufgenommen und landen zusammen mit den menschlichen Ausscheidungen in der Kanalisation. Medizinisch ist es sinnvoll, dass sich Medikamente nicht sofort auflösen, denn der Körper soll ja die Wirkstoffe aufnehmen, bevor sie zerfallen. Kläranlagen stellt die Stabilität von Medikamenten jedoch vor immer größere Probleme. Neben Antibiotika findet sich nach Untersuchungen des Bundesumweltamtes häufig Diclofenac in unserem Wasser. Der Wirkstoff hilft bei Schmerzen und Entzündungen. Rezeptfrei in jeder Apotheke erhältlich, finden Diclofenac-Salben in Millionen von Haushalten regelmäßig Verwendung. Leider bleiben bei der Anwendung der Salbe auch Arzneimittelstoffe auf der Haut zurück, die sich beim Duschen abgewaschen und so ins Abwasser gelangen.
Medikamente stellen Kläranlagen vor Probleme
Die Aufgabe von Kläranlagen ist es, Abwasser so aufzubereiten, dass es nach der Reinigung bedenkenlos dem Wasserkreislauf zugeführt werden kann. Unser Trinkwasser gilt als sauber und frei von Schadstoffen. Das stimmt leider nicht ganz. Die zunehmende Verschmutzung der Abwässer durch Medikamente ist für Betreiber von Kläranlagen eine gewaltige Herausforderung. Herkömmliche mechanische und biologische Reinigungsmethoden schaffen es nicht, die im Abwasser gelösten Arzneimittelrückstände vollständig zu beseitigen. Moderne Kläranlagen verwenden zusätzlich Aktivkohlefilter, Ozon oder UV-Licht. Trotzdem lassen sich auf diese Weise nicht alle schädlichen Substanzen entfernen. So schaffen neuere Anlagen zum Beispiel, das Schmerzmittel Ibuprofen zu 80 % zu beseitigen, Röntgenkontrastmittel dagegen filtern sie kaum aus dem Abwasser heraus.
Auch wenn die Lage zunehmend kritisch erscheint, ist Panik fehl am Platz. Moderne Verfahren messen Schadstoffe im Nanobereich. Das ist so wenig, dass die tatsächlichen Arzneimittelrückstände im Trinkwasser kaum ins Gewicht fallen. Für uns Menschen besteht deshalb keine unmittelbare Gefahr. Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass Hormonrückstände in Gewässern bereits die Fortpflanzung von Kleinstlebewesen und Fischen beeinträchtigen. Arzneimittelrückstände in unserem Abwasser greifen also direkt in den Kreislauf der Natur ein. Über den Umweg der Nahrungskette landen die Medikamente dann wieder auf unseren Tellern. Deshalb sollten wir alle bewusster mit Arzneimitteln umzugehen. Zum Schutz unserer Umwelt und zum Schutz unserer eigenen Gesundheit.